Artikel aus der «Ostschweiz am Sonntag», 8. Mai 2016
Vom Körper zur SeeleFrauen, die ihr Kind verloren haben, spüren eine grosse Leere. Die Hebamme Marlene Troxler Engeli begleitet sie in ihrer Trauer und hilft ihnen, das Gefühl für ihren eigenen Körper wiederzufinden.
LINDA MÜNTENER |
Neun Monate gibt die Natur einer Frau Zeit, um sich auf ihr Kind vorzubereiten. Eine Zeit, in der sich ihr Körper stark verändert. Nach der Schwangerschaft müssen Frauen ein Gefühl für ihren veränderten Körper entwickeln. Sie müssen ihr «Frausein» neu finden. Dazu dienen Rückbildungskurse. Ein Thema, das am diesjährigen schweizerischen Hebammenkongress kommende Woche in Rorschach behandelt wird. Die Hebamme Marlene Troxler Engeli bietet in Rorschach solche Kurse an. Die 62-Jährige betreut nicht nur Mütter, die ein gesundes Kind zur Welt gebracht haben. Sie begleitet auch Frauen, die unter einem Verlust leiden. Frauen, die ihr Kind verloren haben.
Rückbildung nach der Geburt
Jede Mutter trägt die Spuren einer Schwangerschaft in sich. «Keiner anderen Situation in ihrem Leben ist eine Frau derart ausgeliefert wie der Geburt ihres Kindes», sagt Marlene Troxler Engeli. Genauso wichtig wie die Geburtsvorbereitung sei es deshalb, nach der Geburt die Stabilität wiederzufinden – egal ob nach einer natürlichen Geburt oder nach einem Kaiserschnitt. «Viele Mütter brauchen auch einfach wieder einmal Zeit für sich selbst.» Dies gelte insbesondere für Frauen, die eine Fehlgeburt, eine Totgeburt oder den frühen Tod ihres Neugeborenen erlitten haben. «Es ist wichtig, dass eine Frau in einer solch belastenden Situation ihr Gefühl für den eigenen Körper wieder findet.» Nicht alle Frauen können über ihren Verlust mit dem Partner, mit Freunden oder Verwandten reden. Vielen Menschen fehlt der Bezug zu einem ungeborenen Kind, sie kennen diese Erfahrung nicht. Das Kind existiert schon, aber auf eine Weise, die von aussen schwer zu begreifen ist. Das überfordert viele. Man sagt lieber nichts als das falsche. Fehl- oder Totgeburten seien oftmals ein Tabuthema, sagt Marlene Troxler Engeli.
Rückbildung nach der Geburt
Jede Mutter trägt die Spuren einer Schwangerschaft in sich. «Keiner anderen Situation in ihrem Leben ist eine Frau derart ausgeliefert wie der Geburt ihres Kindes», sagt Marlene Troxler Engeli. Genauso wichtig wie die Geburtsvorbereitung sei es deshalb, nach der Geburt die Stabilität wiederzufinden – egal ob nach einer natürlichen Geburt oder nach einem Kaiserschnitt. «Viele Mütter brauchen auch einfach wieder einmal Zeit für sich selbst.» Dies gelte insbesondere für Frauen, die eine Fehlgeburt, eine Totgeburt oder den frühen Tod ihres Neugeborenen erlitten haben. «Es ist wichtig, dass eine Frau in einer solch belastenden Situation ihr Gefühl für den eigenen Körper wieder findet.» Nicht alle Frauen können über ihren Verlust mit dem Partner, mit Freunden oder Verwandten reden. Vielen Menschen fehlt der Bezug zu einem ungeborenen Kind, sie kennen diese Erfahrung nicht. Das Kind existiert schon, aber auf eine Weise, die von aussen schwer zu begreifen ist. Das überfordert viele. Man sagt lieber nichts als das falsche. Fehl- oder Totgeburten seien oftmals ein Tabuthema, sagt Marlene Troxler Engeli.
«Über die Körperübungen wird auch die Seele berührt.»
Marlene Troxler Engeli, Hebamme
Marlene Troxler Engeli, Hebamme
Die Hebamme gibt den Ängsten, Fragen und Gefühlen der betroffenen Frauen im geschützten Rahmen Raum. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rückbildungskursen finden jene nach einem Verlust in Einzel- stunden statt. «Über die Körperübungen wird auch die Seele berührt», sagt die Hebamme. Dieser Weg erfordere Zeit. Zeit für Gespräche und für Unterbrechungen, wenn die Frauen von ihren Gefühlen überwältigt werden. Fast alle machen sich nach einem solchen einschneidenden Ereignis Vorwürfe. Sie suchen nach Gründen für den Verlust – und das meist bei sich selber. «Was habe ich falsch gemacht?» – «Habe ich während der Schwangerschaft zu viel Sport getrieben?» – «Hätte ich das eine Mal keinen Alkohol trinken sol- len?» Die Frauen verlieren das Vertrauen in ihren eigenen Körper. «Bin ich überhaupt in der Lage, ein Kind auszutragen?»
Die innere Mitte finden
Marlene Troxler Engeli hilft Betroffenen in solchen Situationen, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Nebst Gesprächen führt sie in ihren Kursen Übungen für die Körperwahrnehmung und die Atmung, für die Körperhaltung und die allgemeine Entspannung durch. Wie in gewöhn- lichen Kursen wird mit Rückbildungsgymnastik der Beckenboden sowie die Bauch- und Rückenmuskulatur gestärkt. Der Schwierigkeitsgrad der Übungen wird dabei schonend gesteigert. «Frauen, die ihr Kind verloren haben, müssen wie andere Mütter als Wöchnerinnen wahrgenommen werden», sagt Marlene Troxler Engeli, die seit 25 Jahren als Hebamme tätig ist. Auch diese Frau- en haben eine Schwangerschaft durchlebt und ähnliche Bedürfnisse wie jene, die ein gesundes Kind zur Welt gebracht haben. «Sie müssen ihre innere Mitte wiederfinden.»
Heilsames Erinnern
Zur Arbeit der Hebamme gehört zudem die Trauerbegleitung. Diese dauert meist über ein Jahr lang. Mar- lene Troxler Engeli ist für die Frauen auch nach den acht Kurslektionen eine Ansprechperson. Bei Fragen oder in schwierigen Momenten können sie sich bei ihr melden. So ent- steht eine intensive Bindung zwischen Frau und Hebamme, die gleichzeitig Distanz erfordert. «Ich bin keine Freundin», sagt Marlene
Troxler Engeli. «Meine Aufgabe ist es, herauszufinden, was die Frauen brauchen, und ihnen diese individuelle Betreuung zu ermöglichen.» Die Hebamme erzählt von einer Frau, die ihr Baby nach der Totgeburt für zwei Tage zu sich nach Hause genom- men hat. Vor der Beerdigung konnte sie still von ihrem verstorbenen Kind Abschied nehmen. Anderen Frauen helfen Rituale oder Symbole, um ihre Trauer greifbar zu machen. Oft sind es Engel, Sterne, Schmetterlinge, ein Ort oder ein persönlicher Gegen- stand, den sie mit ihrem Kind verbinden, sagt Marlene Troxler Engeli. Die Kursleiterin rät, der Erinnerung an das verlorene Kind einen angemessenen Platz im Leben zu geben. Auch das Feiern von Gedenktagen könne die schmerzlichen Gefühle in Bahnen lenken, welche die innere Befreiung vom Schicksalsschlag erleichtern.
Den Partner einbeziehen
In den Trauerprozess eingebunden wird auch der Partner. So verbindend es für ein Paar sein kann, wenn der Abschied vom gemeinsamen Kind auch gemeinsam durchlebt wird – jeder trauert anders. Das kann in einer Partnerschaft zu Missverständnissen führen. Während die Frau nach einer Fehlgeburt eine grosse Leere spürt, findet der Mann durch die Arbeit meist früher wieder in den gewohnten Alltag zurück. «Das heisst aber nicht, dass er nicht genauso trauert», sagt Marlene Troxler Engeli. Umso wichtiger sei es, dass beide Partner über ihre Gefühle miteinander sprechen. Männer können an den Gesprächen mit der Hebamme auf Wunsch ebenfalls teilnehmen. Wenn zur Familie ältere Kinder gehören, müssen auch diese in den Trauerprozess mit einbezogen werden.
Dieser Prozess ist lang. Das betont die Hebamme immer wieder. «Die Frauen müssen sich Zeit geben und dürfen sich nicht unter Druck setzen.» Der Schmerz, sagt Marlene Troxler Engeli, verschwinde nie. «Aber es kommen andere Tage.» Tage, an denen die Frau wieder lachen und hoffen kann.
Die innere Mitte finden
Marlene Troxler Engeli hilft Betroffenen in solchen Situationen, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Nebst Gesprächen führt sie in ihren Kursen Übungen für die Körperwahrnehmung und die Atmung, für die Körperhaltung und die allgemeine Entspannung durch. Wie in gewöhn- lichen Kursen wird mit Rückbildungsgymnastik der Beckenboden sowie die Bauch- und Rückenmuskulatur gestärkt. Der Schwierigkeitsgrad der Übungen wird dabei schonend gesteigert. «Frauen, die ihr Kind verloren haben, müssen wie andere Mütter als Wöchnerinnen wahrgenommen werden», sagt Marlene Troxler Engeli, die seit 25 Jahren als Hebamme tätig ist. Auch diese Frau- en haben eine Schwangerschaft durchlebt und ähnliche Bedürfnisse wie jene, die ein gesundes Kind zur Welt gebracht haben. «Sie müssen ihre innere Mitte wiederfinden.»
Heilsames Erinnern
Zur Arbeit der Hebamme gehört zudem die Trauerbegleitung. Diese dauert meist über ein Jahr lang. Mar- lene Troxler Engeli ist für die Frauen auch nach den acht Kurslektionen eine Ansprechperson. Bei Fragen oder in schwierigen Momenten können sie sich bei ihr melden. So ent- steht eine intensive Bindung zwischen Frau und Hebamme, die gleichzeitig Distanz erfordert. «Ich bin keine Freundin», sagt Marlene
Troxler Engeli. «Meine Aufgabe ist es, herauszufinden, was die Frauen brauchen, und ihnen diese individuelle Betreuung zu ermöglichen.» Die Hebamme erzählt von einer Frau, die ihr Baby nach der Totgeburt für zwei Tage zu sich nach Hause genom- men hat. Vor der Beerdigung konnte sie still von ihrem verstorbenen Kind Abschied nehmen. Anderen Frauen helfen Rituale oder Symbole, um ihre Trauer greifbar zu machen. Oft sind es Engel, Sterne, Schmetterlinge, ein Ort oder ein persönlicher Gegen- stand, den sie mit ihrem Kind verbinden, sagt Marlene Troxler Engeli. Die Kursleiterin rät, der Erinnerung an das verlorene Kind einen angemessenen Platz im Leben zu geben. Auch das Feiern von Gedenktagen könne die schmerzlichen Gefühle in Bahnen lenken, welche die innere Befreiung vom Schicksalsschlag erleichtern.
Den Partner einbeziehen
In den Trauerprozess eingebunden wird auch der Partner. So verbindend es für ein Paar sein kann, wenn der Abschied vom gemeinsamen Kind auch gemeinsam durchlebt wird – jeder trauert anders. Das kann in einer Partnerschaft zu Missverständnissen führen. Während die Frau nach einer Fehlgeburt eine grosse Leere spürt, findet der Mann durch die Arbeit meist früher wieder in den gewohnten Alltag zurück. «Das heisst aber nicht, dass er nicht genauso trauert», sagt Marlene Troxler Engeli. Umso wichtiger sei es, dass beide Partner über ihre Gefühle miteinander sprechen. Männer können an den Gesprächen mit der Hebamme auf Wunsch ebenfalls teilnehmen. Wenn zur Familie ältere Kinder gehören, müssen auch diese in den Trauerprozess mit einbezogen werden.
Dieser Prozess ist lang. Das betont die Hebamme immer wieder. «Die Frauen müssen sich Zeit geben und dürfen sich nicht unter Druck setzen.» Der Schmerz, sagt Marlene Troxler Engeli, verschwinde nie. «Aber es kommen andere Tage.» Tage, an denen die Frau wieder lachen und hoffen kann.
Zur Person Seit 25 Jahren Hebamme
Marlene Troxler Engeli war 25 Jahre lang als Hebamme in Sursee, Kanton Luzern, tätig. Zuvor absolvierte sie Ausbildungen als Sozialarbeiterin und Pflegefachfrau. Sie verfügt über langjährige Erfahrung als Kursleiterin in Rückbildung nach der Schwangerschaft, Beckenbodenarbeit, Schwangerschaftskonflikten und Trauerbegleitung. Marlene Troxler Engeli begleitet Frauen in Einzelstunden nach einer Fehlgeburt, einer Totgeburt oder einem frühen Kindstod. Sie wohnt in Rorschach. (lim) www.boden-gewinnen.ch
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